von Kora Klapp
Wie Du vielleicht weisst, leben Thorsten & ich sommers auf unserem (in 2019) 123 Jahre alten Schiff, dem Gaffelkutter Lille Bjørn, den wir in den letzten Jahren grundsanierten und der in diesem Jahr endlich klar zum Segeln wurde.Endlich sag ich, aber weil für uns auch der Weg das Ziel ist, denk ich gern an die Jahre im Seequartier zu Mariehamn mit dem Flair traditionellen Handwerks und Seemannschaft, mit Zugang zu Schreinerei und Schmiede; mit alten Seeleuten, die einen Kennerblick über die Schiffe und Boote haben, und mit uns als Teil dieser Atmosphäre…
Aber am 30. Juli 2019 war es soweit, das Schiff seeklar ausgerüstet, dass wir wieder den blauen Peter setzten als Zeichen – nun geht’s weiter!
mit dem vorherrschenden Nordostwind in Richtung Schweden, um uns einen Urlaub unter Segeln zu gönnen.
Draussen trafen wirs doch etwas rauer an, und der Wind legte zu, so dass unser Schiff mit Rauschefahrt bis 7 Knoten durch die Wellen schnitt – allerdings mit so viel Lage, dass die See regelmäßig das leeseitige Deck spülte, und dass der weit ausgefierte Baum durchs Wasser gezogen wurde…
Der Wind schien dann vor der schwedischen Küste auch etwas zu drehen, so dass wir den Stand der Segel anpassten – aber schließlich wollte der Klüver nicht mehr stehen. Die Schot schlug, und wir beschlossen, das Segel wegzunehmen – wir waren ja schon in der Einfahrt in den Furusundsleden. Das wurde nun zum Verhängnis: durch den stetigen Wind hatte sich offenbar der Mast gesetzt und zwar etwas nach vorn, was die Stagen loser machte. Der Klüver, am Traveller mit Reffrolle gesetzt, ließ sich nur unten einrollen, während oben der Wind voll drin stehen blieb! Der Seeraum schien uns nicht zu reichen für einen Aufschießer, während Fähren im Anmarsch waren. Fahrt rausnehmen – Groß runter! Aber auch hier klemmte es nun: bei einer Halse war offenbar die holende Part des Piekfalls in die Gaffelklau gelangt, saß dort jetzt fest und keins der Fallen konnte gefiert werden. Daneben passierte die Ålandsfähre recht dicht – sehen die nicht, dass wir Probleme haben?! Endlich bekamen wir den Baum in seinen Galgen abgelegt, die Piek mittschiffs geholt, und befreiten damit das verklemmte Fall.
Während ich mit dem Groß beschäftigt war, hämmerte die Klüverschot weiter. Den Travellerring hatte ich zum Bug geholt, wagte aber das Fall erst zu fieren, als endlich vor Kapellskär kein Wind mehr im Segel stand und ich es sicher an Bord holen konte. Vor der Fock näherten wir uns dem Hafen und spähten nach einem geeigneten Anlegeplatz.
Denn ich hatte inzwischen gemerkt, dass mit der linken Hand was nicht stimmte. Etwas Schmerz und Gefühllosigkeit waren verständlich durch die Schläge von Tau und Segel, aber der kleine Finger stand auch etwas schräg und liess sich nicht mehr ganz strecken!
Der nächste Tag verging im Lotsenhafen mit Analyse und Reparatur.
Dann machten wir uns auf, abseits der Fährroute durch Stockholms Schären. Der Wind nun achterlich aber segelbar – das Groß blieb unten, denn das ging mit Gipshand nicht zu hantieren, aber die Fock zog gut.
Der Klüver lag mit zerrissenem Schothorn an Deck, auch ein Leitauge war aus der Verankerung im Schandeckel gerissen und im „blauen Regal“ verschwunden.
Genussvoll glitten wir durch den Blidösund und die Schären um Husarö.
Im engen Fahrwasser bei Finnhamn zwang uns eine kleine Fähre mit ihrem Schraubenwasser, kurzfristig den Motor anzulassen, denn Lille Bjørns Bug wurde kräftig aus der Fahrtrichtung und in Richtung Felsen gedrückt.
Gegen Abend legte sich der Wind schlafen.
Svartsö Kalviken hatten wir uns als passenden Ankerplatz ausersehen – die Bucht, von Vegetation verborgen, konnten wir aber nicht mehr unter Segeln erreichen. Als der Flautenschieber mithelfen sollte – nichts. „Musst Du Dir nachher anschauen“, sagt Thorsten, der das Malheur schon erkannt hatte – erstmal liessen wir neben dem Fahrwasser auf 10 m Tiefe den Anker fallen. Und auch hier gabs ein Problem, denn die Kettenbremse unserer kräftigen Kurbelwinsch hatte sich beim Aufdrehen ganz aus ihrem Gewinde gelöst und die Kette rauschte aus, bis ich sie mit der Kurbel und dann einem Haken abfing.
Und der Motor? Durch die Vibrationen hatte sich diesmal die Propellerwelle vom Getriebeflansch gelöst, 3 von 4 Schrauben samt Federringe lagen in der Bilge…
Die Nacht verlief ruhig, nachdem wir durch Ausbringen des kleinen Zweitankers das Schwoien und damit das störende Reiben der Ankerkette am Wasserstag vermindern konnten.
Der folgende Tag begann mit Flaute und sollte schwachwindig bleiben. Wir versuchten, den Motor vorsichtig eingekuppelt mitschieben zu lassen, aber schon bald zeigte sich, dass immer wieder neue Teile losvibriert wurden – einmal die Lichtmaschine, einmal der Ölkühler. Thorsten schraubte, während ich mit der Fockbesegelung enge Passagen vermeiden musste. Den Lindalsund kann ich Ruhesuchenden nicht empfehlen. Hier trafen sich scheinbar alle Spätsommersonntagssegler, und die Ausflugsdampfer machten sich einen Spaß daraus, uns möglichst nah zu passieren, um Lille Bjørn in ihrem Schwell tanzen zu sehen. Zum Glück war das Groß mit seinem schweren Baum – dem „Witwenmacher“ – nicht gesetzt! Die Erfahrung, wie er beim Rollen heftig einruckt, hatten wir in der Nähe von Stockhom schon zur Genüge gemacht.
Dafür versuchten wir, mit Hilfe eines frei am Mast gesetzten Toppsegels den sterbenden Wind einzufangen. Qualvoll langsam kroch Lille Bjørn im Halvkakssund Richtung Stockholm voran, und wir warnten ein- und auslaufende Fähren vor unserer begrenzten Manövrierbarkeit. Als wir Kurs auf die Traditionsschiffspier von Beckholmen nahmen, zeigte sich im Fahrwasser achtern eine Alternative:
mit zügiger Faht kam die stolze Segelyacht „Karolina“ – ein Petterson-Boot und unsere langjährige Nachbarin aus Mariehamns Seequartier, die nun in Stockholm ansässig ist, heran und überholte schon, als wir mit Anpreien auf Kanal 16 und auf dem Telefon sie schließlich erreichten. Skipper Urban nahm uns längsseite und bugsierte uns die letzte Meile bis in den Wasahafen – dem glücklichen Ende dieser Reise mit Hindernissen.
Während ich den Klüver mit Bordmitteln reparieren konnte, wovon mich auch der Gipsverband nicht abhielt, mussten wir den trotz Generalüberholung unglücklichen Motor mit seinen Öl-Leckagen noch einmal austauschen und auch die Wellenanlage anpassen, um den Vibrationen Herr zu werden. Im Wasahafen hatte unser Schiff aber einen hervorragenden „Nothafen“ und wir neue Freunde gefunden!
Hallo Ihr Zwei.
Schön zu lesen, Euer Abenteuer.
Danke für‘s weitergeben, lenkt mich von meinen Sorgen ab.👍🤷🏻♀️😅😉
Moin Ihr Lieben! Fantastisch, dass Ihr es geschafft habt Lille Björn wieder in Fahrt zu bringen. Ihr könnt stolz auf Euch sein.
Wir stechen Ende April wieder in See – Richtung Schweden. Vielleicht können wir dieses Jahr den Wein beim Längsseits – Liegen trinken. Wir würden uns freuen Euch zu treffen.
Liebe Grüße aus Wilster Thomas und Inge von der Fritz Lexow
http://www.fritz-lexow.de
Die Seele ist,das Schiff
Das Herz das Steuer und die Wahrheit der Hafen
Wie schön, von Euch zu hören, Inge und Thomas!
Für uns geht’s auch Ende April in den Norden, dann zuerst zum Auswintern, Drucklager einbauen und testfahren… Wir freuen uns aufs Längsseiteliegen und Wein trinken mit Euch! (mit Tee passen wir aber auf 😉 )