Mündlichen Überlieferungen zufolge wurde „Lille Bjørn“ ursprünglich als „lystbåd“ – also als Yacht – gebaut. Da diese Schiffe am Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht registriert wurden, fanden sich für die ersten zwanzig Jahre des Schiffslebens bislang keine amtlichen Unterlagen in den Archiven.
Die folgenden Fotos wurden uns von der Familie Arling, in deren Besitz die damalige „Irene“ am Anfang des 20. Jahrhunderts war, zur Verfügung gestellt:
1917 wird das Schiff erstmalig im dänischen Fischerei-Jahrbuch als „Irene“ aufgeführt. Den Namen behielt es während der gesamten Zeit unter dänischer Flagge. Damals war bereits ein Hilfsmotor von 8 PS eingebaut, der in den 20er Jahren gegen einen Motor mit 11 PS ausgetauscht wurde. In den 40er Jahren erhielt „Irene“ abermals eine neue Maschine – einen Gamma-Marinediesel von 45 PS.
Ein Unglück ereignete sich 1948, als bei einer Minensprengung im ungeräumten Fahrwasser vor Mommark der Skipper Aage Ravn und sein Maat Villy Christensen ums Leben kamen.
Nach dem tragischen Unfall wurde die „Irene“ geborgen und wieder instandgesetzt:
Die folgenden Bilder aus der dänischen Fischerei sind auf die Nachkriegszeit zu datieren. In der Fischerfamilie Lund hatte „Irene“ wegen ihrer für Fischkutter ungewöhnlichen Rumpfform den Spitznamen Banane.
Eine weitere Havarie vor der deutschen Küste setzte der Fischereizeit der „Irene“ ein Ende. Hier liegt sie mit eingedrückter Backbordseite auf dem Priwall und wird anschließend zur Winterzeit repariert.
Ca. 1964 erfolgte die Überführung nach Hamburg, wo sie für einen Schauspieler des Ohnsorg-Theaters zur Privatyacht mit Namen „Frau Wirtin“ umgebaut wurde. In den folgenden Jahren war der Liegeplatz in Neustadt / Holstein an der Lübecker Bucht. Noch heute erinnern sich Segler an das Schiff – wohl auch aufgrund der Hamburger Prominenz, die gelegentlich an Bord kam …
In den 70er- und 80er-Jahren wechselte das Schiff mehrfach Eigner und Heimathafen. Hier wird es mit ausgebautem Motor durch die Kanäle zur Ems verholt, wo es von Grund auf restauriert wurde. In dieser Periode wurde die neue Maschine – OM 621 – eingebaut und eine kleinere, dreiflügelige Schraube montiert.
Das ursprüngliche Gaffelkutter-Rigg wurde von Chr. Essing nach dem historischen Vorbild der „Leiv Eiriksson“ wieder aufgebaut (Quelle: „Colin Archer and the seaworthy double-ender“ von John Leather). Ende der 80er-Jahre war die „Irene“ wieder ein richtiges Segelschiff.
Der folgende Liegeplatz in Carolinensiel mit seinem Wattrevier erwies sich als nicht ideal für einen S-Spanter. Mit fast zwei Meter Tiefgang fand sich selten Gelegenheit zum Segeln in den Tidengewässern.
So wechselte das Schiff im Sommer 2002 in unseren Besitz, und wir überführten es in die Ostsee nach Rostock, wo wir es unter seinem neuen Namen „Lille Bjørn“ zur Hanse Sail einführten.
Wenig später wurde die Erneuerung des alten Achterstevens samt angrenzender Planken auf der Werft in Peenemünde in Angriff genommen.
Nach weiteren Restaurierungsarbeiten sowie Um- und Ausbauten während des Winterhalbjahrs war „Lille Bjørn“ im Frühjahr 2003 seetüchtig und reiseklar.
Namen und Eigner
Periode | Name | Heimathafen | Zeichen | Eigner |
? – 1916 | Irene | Aalborg | Anders Råby Arling | |
1917 | Irene | Aarhus / DK | AS 22 | J. Andersen |
1918 – 1920 | Irene | Aarhus / DK | AS 22 | N. Andersen |
1920 – 1929 | Irene | Hou / DK | AS 22 | Søren Frandsen |
1929 – 1948 | Irene | Skærbæk / DK | AS 22 | Aage Ravn |
1948 – 1950 | Irene | Skærbæk / DK | AS 28 | Gebr. Nissen |
1950 – 1963 | Irene | Årøsund / DK | HV 99 | Gebr. Lund |
1963 – ? | Frau Wirtin | Hamburg / D | Frederik Schneyder? | |
? – 1980 | ? | ? | ? | |
1980 – 1984 | Helena | Ditzum (Ems) / D | Jörg Zabel | |
1984 – 2002 | Irene von Skærbæk | Oldenburg / D | Gerti & Christoph Essing | |
2002 – 2003 | Lille Bjørn | Rostock / D | Kora Klapp | |
2004 – | Lille Bjørn | Åland / FIN | Kora Klapp |
Habe zum ersten Mal die „Biographie eines Schiffes“ gelesen. Habe gelernt, wie lang ein Schiffleben sein kann. Total interessant! Wünsche dem Schiff und seiner Besitzerin noch ein langes Leben.